Welche Rolle spielt die religiös-säkulare Konfliktlinie in der heutigen Zeit?
In einer vergleichenden Untersuchung konnten teilnehmende Forschende zeigen, dass Religion grundsätzlich in den Verfassungen der meisten Staaten verankert ist. Die sichtbare Bevorzugung der christlichen Religion in europäischen Verfassungen warf dabei die Frage auf, wie liberal die Demokratien Europas wirklich seien und ob das christlich-religiöse Fundament Europas überhaupt mit einem liberalen Normanspruch kompatibel sei.
Die Frage nach der Konfliktlinie und ihrer Rolle in Staaten ist nicht nur eine rein theoretische, sondern lässt sich auch an konkreten Beispielen festmachen, etwa in Debatten über die Sichtbarkeit von Religion im öffentlichen Raum. Verschiedenartige Gesetze wie der Burkabann in Frankreich, das Minarettverbot in der Schweiz oder die Kreuzpflicht in Bayern zeigen hierbei verschiedene Spielorte des Konflikts auf. Eine klare Definition des öffentlichen Raumes in Verbindung mit Religion ist jedoch nicht ohne weiteres möglich und zeigt somit eine weitere Facette der ambivalenten Beziehung zwischen Staat, Religion und Säkularismus auf.
Doch welche Einflüsse lassen sich im parlamentarischen und gesellschaftlichen Zusammenhang finden? Im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte untersucht unter anderem ein Forscherteam von Prof. Matthias Kortmann die Thematisierung religiöser Themen in verschiedenen westeuropäischen Parlamenten. Dabei wurde trotz einer steten Abnahme des Anteils gläubiger Menschen in den untersuchten Ländern eine proportional steigende Tendenz religiöser Themen in drei der vier untersuchten westeuropäischen Nationalparlamente sichtbar.
Zentral für die Diskussionen des Workshops war auch die Nähe von Populismus und Religion. Dabei wurde die Rolle des Populismus als Katalysator für Religiosität, aber auch für Säkularismus deutlich. So wird seit dem Einzug populistischer Parteien in den Parlamenten vermehrt über religiöse Themen debattiert. Andererseits kann beispielsweise in den USA eine Zunahme von Säkularismus in der Bevölkerung als Folge des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021 und die dort zur Schau gestellte christliche Symbolik beobachtet werden.
Der international ausgerichtete, interdisziplinäre Workshop und die vorhergehende öffentliche Podiumsdiskussion wurden von Prof. Matthias Kortmann, Matthias Frey sowie Arvid Rose vom Institut für Philosophie und Politikwissenschaft organisiert. Die Ergebnisse der Forschenden sollen in einer internationalen politikwissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht werden. Neben den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der TU Dortmund kamen die Teilnehmenden aus Israel, Kanada, Österreich, Großbritannien, Deutschland, der Türkei und den USA.